Als ein entscheidender Pluspunkt "der Regierung Hitlers blieb der Sieg im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit im Gedächtnis der Deutschen“ haften. „Als Hitler die Reichskanzlerschaft übernahm“, war
die Arbeitslosigkeit schon leicht gesunken. Reichsweit lag sie zu dieser Zeit bei „sechs Mio. stellungssuchenden Menschen, das war eine Quote von 19 Prozent". Da sich aber immer weniger
Arbeitslose registrieren ließen oder keine Vermittlungschancen hatten, "muss mit einer weit höheren Zahl ... gerechnet werden". Die Arbeitslosenunterstützung war sehr gering. So kam es, dass "im
Gefolge der Weltwirtschaftskrise" der 1920er Jahre „große Teile der Bevölkerung“ verarmten (1 S. 17f).
Einer von denen, die immer mal wieder von Arbeitslosigkeit betroffen waren, war der Zizishäuser Paul K. (1898 – 1969 (2)) aus der Haldenstraße. Gemeinsam mit anderen jungen Männern seiner
Heimatgemeinde musste er sich „in den wirtschaftlich schwierigen 1920er Jahren ... auswärts nach Arbeitsgelegenheiten umsehen". Zum Beispiel kam er um 1923 mit drei weiteren Kameraden, die wohl
alle in der Holz- und Metallbranche tätig waren, zur Arbeitssuche bis nach Oberstdorf (3 S. 140).
Paul K. hatte geheiratet und wurde 1934 Vater eines Kindes (4). Er war Schreiner von Beruf und arbeitete von April 1931 bis Dezember 1932 bei der Firma Schmidhuber in Nürtingen (5). Sein
Stundenlohn sank im Jahr 1931 von 102 auf 82 Pfennig, im Jahr 1932 weiter auf 72 Pfennig (6). Aufgrund fehlender Aufträge arbeitete er unregelmäßig, manchmal nur ein bis zwei Tage/Woche
(7).
Vorstand des Turnvereins Zizishausen
Bis zum Jahr 1933 war Paul K. Mitglied der KPD und Gemeinderat in Zizishausen. Er gehörte auch dem Vorstand des Turnvereins Zizishausen an (8 S. 90). Dieser Verein, der im Jahr 1902 gegründet
wurde, (9 S. 1295) verstand sich als „Kampfgemeinschaft für die rote Sporteinheit“. Sein Vorstand hielt „engen Kontakt zu den Arbeitersportvereinen der Umgebung und zum Waldheim Nürtingen“ (8 S.
90).
„Kurz vor den Märzwahlen des Jahres 1933 verkündete Hermann Göring, einer der wichtigsten Gefolgsleute Hitlers, dass er sich nicht um ... juristische Feinheiten kümmern werde, sondern nur darum,
die Kommunisten zu ,vernichten und auszurotten’". „Die Gewalt, die folgte, war ein frühes Zeichen der gefährlichen Dynamik, die das Dritte Reich auszeichnete. Die NS-Führung setzte die politische
Richtung fest und ihre Gefolgsleute übertrumpften sich gegenseitig mit immer radikaleren Versuchen, diese umzusetzen“ (10 S. 41).
Als einer der ersten wurde Paul K. im April 1933, „zusammen mit andern politisch missliebigen Personen in Schutzhaft genommen und einige Zeit in dem Lager Heuberg in Schutzhaft gehalten“ (5; 11
S. 132). Dazu eine Zizishäuserin: „Dort kam es dann vor, dass sich ehemalige Nachbarn wieder begegneten – diesmal als Gefangene und als Bewacher. ... Zumindest die Kommunisten im Dorf ahnten nun,
was auf sie zukäme, wenn sie sich nicht anpassten und ruhig verhielten. Viele von ihnen hatten Angst, hielten den Mund und gingen besonders den Parteimitgliedern ... aus dem Wege, andere machten
es sich leichter und schwenkten in das andere Lager um“ (8 S. 92).
Nach der KZ-Haft wieder arbeitslos
Zwei Monate befand sich Paul K. im Konzentrationslager (KZ) auf dem Heuberg, vom 25. bis 31. 07. 1933 wurde er über die Zeit des Deutschen Turnfestes, das in Stuttgart stattfand, ein zweites Mal
inhaftiert. Danach war er wieder arbeitslos (5). Während der Zeit seiner Haft hatte ein anderer seinen Arbeitsplatz bekommen (6). Dazu Paul K. im Jahr 1950 in einem Schreiben an die
Landesbezirksstelle für Wiedergutmachung: „Als ich ... 1933 von der Schutzhaft entlassen wurde, ging ich in meine frühere Arbeitsstelle. Schmidhuber gab mir den Bescheid, dass mein Arbeitsplatz
inzwischen von einem anderen Gesellen besetzt worden sei, er könne mich vorerst nicht wieder einstellen, da er einen staatlichen Auftrag in Arbeit habe (Postgebäude Nürtingen) und er evtl. zu
Schaden kommen könne, wenn er mich einstellen würde. Ich ging stempeln“ (12). Aber eigentlich konnte er seine Arbeit nicht wieder aufnehmen, weil, so formulierte er den Grund im selben Schreiben:
„ich als Nazigegner dem Arbeitgeber nicht genehm war. In der Folge war ich bis 10. 03. 1934 ohne Arbeit“ (13). Ein entlassener so genannter Schutzhäftling war vermutlich kein passendes
Aushängeschild für eine Firma, die auf städtische Aufträge angewiesen war.
Über einen kurzen Zeitraum wurde Paul K. vom Arbeitsamt beim Bahnbau Plochingen eingesetzt, wo er in der vierten Woche verunglückte. Nach seiner Genesung kam er nicht wieder dorthin, er musste
wieder zum „stempeln“ aufs Arbeitsamt gehen. Im Februar/ März 1934 war er als Notstandsarbeiter in der Gemeinde Oberboihingen bei der Flurentwässerung tätig. Sein Lohn betrug 18 Reichsmark
(RM)/Woche (12). Danach arbeitete er für einen Wochenlohn von 35,- RM bei der Firma Hermann Weinbrenner in Nürtingen (5).
Im Jahr 1950 stellte Paul K. beim Landesamt für Wiedergutmachung einen Antrag auf Entschädigung wegen Verdienstausfalls und Verdienstminderung durch politische Haft und Arbeitslosigkeit (5).
Dieser „Schaden im beruflichen Fortkommen“, den er selbst auf mindestens DM 1.000,- schätzte (13), wurde nicht anerkannt, da Paul K. während seiner Verfolgung arbeitslos war und deshalb keinen
Verdienstausfall hatte (5). Schon ein Jahr zuvor konnte Paul K. keinen Schaden nachweisen, der ihm während seiner Haftzeit „an Körper und Gesundheit“ zugefügt worden war (4). Allerdings erhielt
er eine Haftentschädigung für zwei Monate Haft. Es waren insgesamt 300 DM, die ihm überwiesen wurden (14).
Nach dem Krieg war Paul K. über einen uns unbekannten Zeitraum Beisitzer einer Spruchkammer, er starb 1969 in Nürtingen (2).
Quellen:
Anne Schaude, 2018