So genannte "Arbeitserziehungslager"

- „Wir bringen Sie dahin, wo Sie hingehören!“

"Arbeitserziehungshaft" für sogenannte "Arbeitsverweigerer"

Von den rund 200 sogenannten Arbeitserziehungslagern (hier AEL genannt), die von 1941 bis 1945 existierten, befanden sich drei im Raum Württemberg. Für Männer waren dies die AEL Kniebis-Ruhestein und Oberndorf-Aistaig, für Frauen das AEL Rudersberg. (1/143) In den ersten AEL versuchten die staatspolitischen Mittelinstanzen die zunehmenden Disziplinarprobleme im Arbeitsalltag und zugleich die ersten Haftraumschwierigkeiten zu lösen. Neben der sogenannten Vorbeugungshaft und der sogenannten Schutzhaft entwickelte sich im Krieg die sogenannte Arbeitserziehungshaft zu einer dritten Kategorie der Präventivhaft. (2/118f) Im Mai 1941 waren etwa 2.000 Lagerplätze vorhanden, gegen Kriegsende konnten mindestens 40.000 Gefangene in den Lagern inhaftiert werden. Nach „vorsichtigen Schätzungen (ist) davon auszugehen, dass mehrere hunderttausend Menschen während des Krieges im Deutschen Reich von einer AEL-Haft betroffen waren. (2/323)

 

Vorbeugende Abschreckung

In diesen Lagern sollten deutsche und ausländische „abhängig Beschäftigte“ erzogen werden – vor allem aber sollte der dortige Aufenthalt als vorbeugende Abschreckung wirken. Deshalb waren die  Arbeitsbedingungen und Lebensverhältnisse in den AEL meist härter und strenger als in den Konzentrationslagern. In die AEL eingewiesen werden konnten sogenannte „leistungsunwillige oder auch nur überforderte Arbeitskräfte“, die von den Betrieben und Arbeitsverwaltungen gemeldet wurden. (1/143) Somit erfolgten die Einlieferungen in die AEL nicht aufgrund der Ermittlungstätigkeiten der Polizeibehörden, sondern gingen auf Denunziationen aus den Betrieben zurück. (2/318) Im Raum Stuttgart waren es mehrere Tausend Personen, die angezeigt wurden. Bevor aber die Betriebe ihre „Arbeitsverweigerer“ und „Bummelanten“ der Gestapo meldeten, mussten sie zuvor die innerbetrieblichen Sanktionen ausgeschöpft haben. (1/143f)

 

Vor allem bei "kriegswirtschaftlich" wichtigen Unternehmen

Anschließend stellte die Schutzhaftdienststelle den schriftlichen Einweisungsbescheid aus.  Bevorzugt wurden die AEL-Häftlinge in den "kriegswirtschaftlich" - wie es damals hießt -  wichtigen Unternehmen eingesetzt. (1/145) Der Industrie lag an einer raschen und effektiven Bestrafung von sogenannten Arbeitsvertragsbrüchigen. Um die Arbeitskraft der Häftlinge systematisch auszubeuten, wurden die Haftzeiten von anfänglich drei Wochen schrittweise auf 56 Tage ausgedehnt. (2/7) „War nach der Frist von acht Wochen die Wiederherstellung der Arbeitsbereitschaft nicht erfüllt, war die Verhängung von Schutzhaft und Einweisung in ein KZ vorgesehen. Mehrfacheinweisungen ins AEL waren aber erlaubt und wurden gerne  praktiziert.“ (1/145) - Ab 1941 mietete/ pachtete die Gestapobehörde Lagergebäude und Baracken von beteiligten Privatfirmen. Ein AEL durfte nur noch an Standorten errichtet werden, wo sich kriegswichtige Fertigungsbetriebe befanden. (2/125)

 

"Haft- und Arbeitsbedingungen"


Die "Haft"- und "Arbeits"bedingungen in allen AEL waren von Anfang an sehr schwer. (2/141) Staatspolizeiliche „Arbeitserziehung“ war eine kurzfristige und brutale Maßnahme, mit der  die Häftlinge gebrochen und eingeschüchtert an ihre früheren "Arbeitsplätze" zurückkehren sollten. Die meisten Häftlinge leisteten „körperlich schwere Steinbruch-, Erd- und Tiefbauarbeiten in der Bauwirtschaft, wo man aufgrund des Maschinenmangels auf eine Vielzahl von ungelernten Handarbeitern angewiesen war“. Abgeschottet gegen Kontrolle von außen waren die AEL gleichzeitig in die Infrastruktur der näheren Umgebung integriert. (2/320)

 

Unterbringungsverhältnisse und Behandlung


Bei den Lager-Gebäuden handelte es sich um primitive, improvisierte Holzbarackenlager, die nicht zur dauerhaften Unterbringung von Menschen vorgesehen waren. Es gab weder elektrisches Licht, noch warmes Wasser oder nennenswerte sanitäre Anlagen. (2/141) Besonders schwache und kranke Häftlinge wurden vom Wachpersonal als „stinkende Schweine“ betrachtet. Schläge mit Peitschen, Gewehrkolben, stacheligen Zweigen und ähnlichem waren eine angewendete Strafe für die entkräfteten, hungernden Menschen. Nicht nur Häftlinge, die zum Beispiel von Läusen befallen waren, wurden geschlagen, sondern auch die, die nach der Rasur mit der stumpfen Rasierklinge noch Bartstoppeln aufwiesen. Wie viele Menschen totgeprügelt wurden, ist nicht bekannt. (2/154f)

 

Essensentzug, Arrest

Eine weitere Strafe war der Essensentzug fürs ganze Lager. Die härteste Strafe aber war der Arrest im sogenannten Strafbunker mit zu drei Tagen Dunkelhaft. In diesen Strafzellen gab es nur eine Holzpritsche, einen Toiletteneimer und einen Wasserkrug. (2/157) Fluchtversuche aus den Lagern waren unmöglich, an den Arbeitsstellen aber konnten die Wachleute die vielen Arbeitskolonnen nicht lückenlos überwachen. Hatte man einen Flüchtigen wieder aufgegriffen, wurde die Haftstrafe erneut auf sechs Wochen festgesetzt und jede Vergünstigung gestrichen. (2/158)

 

Entwicklung

Mit dem weiteren Verlauf des Krieges verschlechterten sich auch die äußeren Rahmenbedingungen in den AEL. Jede Versorgung, die über die Grundnahrungsmittel hinausging, brach ab, unter den Häftlingen entwickelte sich ein ähnlicher Existenzkampf wie in den KZ. Da die Haftzeit befristet war, wollte jeder überleben. „Kameradschaftsdiebstähle“ mehrten sich: „Schwächeren wurde die Schlafdecke gestohlen, um sie als Fußlappen oder anderes Kleidungsstück zu benutzen. War ein Häftling zu erschöpft zum Essen, aß ein anderer seine Ration mit.“ (2/195) Dazu kamen ab 1943 alliierte Bombenangriffe und lebensbedrohliche Seuchen. (2/197) In ihren verschlossenen Holzbaracken verbrachten die Gefangenen die Nächte in ständiger Lebensgefahr. (2/198) Im letzten Kriegsjahr waren sie das einzigste noch verfügbare Arbeitskräftereservoir und in der Großindustrie hauptsächlich mit den anfallenden Aufräum-, Reparatur- und Luftschutzarbeiten beschäftigt. (2/233)


Das AEL Oberndorf-Aistaig

Im Winter 1941/42 wurde das AEL Kniebis-Ruhestein nach Oberndorf am Neckar verlegt, „wo sich die Waffenfabrik Mauser-Werke AG befand. ... Im Januar 1942 kamen die letzten ... noch verbliebenen Häftlinge und Wachleute in das neue Lager, ...“ das an einer  zurückgezogenen Stelle zwischen Oberndorf und Aistaig lag. In diesem AEL gab es drei Mannschafts-, vier Häftlings-, eine Wirtschaftsbaracke, ein Krankenrevier und eine Schneiderei. Jede Häftlingsbaracke besaß einen Aufenthaltsraum und Etagenbetten. Die Fenster waren vergittert, die Türen blieben nachts verschlossen. Sogenannte „deutschstämmige“ und „fremdvölkische“ Häftlinge wurden getrennt untergebracht. Um das gesamte Lager herum befand sich ein Stacheldrahtzaun, der von einer ständigen Wache gesichert war. (1/149f)

Die Häftlinge trugen, auch im Winter, einen leichten einfarbig-grauen Drillichanzug, eine blaue runde Mütze und abgetragene Holzschuhe. Strümpfe waren Mangelware, deshalb wurden auch im Winter die Holzschuhe ohne Strümpfe getragen. (1/150) Das Lager erhielt die Nahrungsmittel pauschal nach Nachweis der Häftlingszahl zugeteilt. Oft mussten die Häftlinge bei der Bevölkerung betteln oder sie versuchten durch Gefälligkeiten ein Stück Brot zu ergattern. (1/150) - Zur Ahndung von Disziplinarverstößen und leichten bis mittelschweren Vergehen konnte die Lagerleitung eine Reihe von abgestuften Strafmaßnahmen anordnen: von der Entziehung von Mahlzeiten und des „Bettlagers“ bis hin zu zweiwöchigem Arrest bei Wasser und Brot. Für verschärften Arrest stand in einer der Baracken ein sogenannter Stehbunker zur Verfügung. Schwere Vergehen der Häftlinge waren der Stapoleitstelle Stuttgart zu melden, die weitere Strafen im Polizeigefängnis Oberndorf und die KZ-Einweisung anordnen konnte. (1/151)

„Ihr Lumpen, seid Ihr jetzt zur Besinnung gekommen?“
Otto R., ein Reuderner im AEL Oberndorf

Im Jahr 1941 hatte sich Otto R. (1893 – 1955(3)) freiwillig zur Wehrmacht gemeldet, wie er 1947 vor der Spruchkammer gegen den ehemaligen Regierungsoberinspektor Otto Hoffmann aussagte. Ganz so freiwillig hatte er diese Entscheidung vermutlich nicht getroffen, denn er berichtete, dass sein Vorgesetzter B. ihn an seinem Arbeitsplatz in einem Berkheimer Rüstungsbetrieb diesbezüglich unter Druck gesetzt hatte. Wie Otto R. sich ausdrückte, habe er „nicht zu den Heilrufern gehört“. Der Vorgesetzte K. unterschrieb sein Gesuch um Freigabe aus der Firma und versprach, das Schreiben beim Arbeitsamt in Esslingen abzugeben. K. war höflich und zuvorkommend, er habe ihm den Gang zum Arbeitsamt ersparen wollen. Zudem machte er Otto R. noch ein Angebot: „Wenn Sie in drei Tagen einrücken müssen, dann haben Sie zu Hause mit der Familie noch vieles zu besorgen, Sie können ruhig aufhören und mit dem nächsten Zug nach Hause  fahren.“ Sie verabschiedeten sich mit Händedruck, er fuhr nach Hause.

Am folgenden Tag wurde Otto R. in seiner Wohnung von vier Landjägern verhaftet und für sechs Wochen im Nürtinger Amtsgerichtsgefängnis eingesperrt. Er berichtete: „Ich wurde nicht vorgeführt, ich wurde nicht verhört und mir wurde keine Schuld oder ein Vergehen vorgehalten.“ Eines Morgens brachte man ihn ins AEL nach Oberndorf. „In dem berüchtigten Lager Aistaig verbrachte ich 13 Wochen Schutzhaft. Mein erster Empfang in diesem Lager war ein Stockhieb über den Kopf. Die Schmarre sieht man heute noch. Beim Arzt erhielt ich einen Tritt in den Magen. In Kniebeuge wurden die Haare geschoren. Wer umfiel, wurde geschlagen. Einmal fiel mir beim Schlagen das Gebiß aus dem Munde, ich bückte mich und der ... Sohn des Lagerführers schlug mit der Hundepeitsche auf mich ein. ... Im Lager bekam ich wenig zu essen, schleppte Munitionskisten, bekam Schläge und dies alles nur, weil der Vorgesetzte K. mit Vorsatz bewusst oder unbewusst oder aus Nachlässigkeit meine Verbringung ins Lager verschuldet hatte. ... Zur Hitlerrede am 30. 01. 1945 wurde mir beim Essen der Napf von einem SS-Mann aus der Hand geschlagen. Ich wurde mit einem Häftling auf dem Büro des Lagerführers zusammengekettet von drei Wachleuten mit Stöcken bewusstlos geschlagen und mit dem angeketteten Kameraden in den acht Meter tiefen Marterstollen hinunter geworfen. Am Abend um 7 Uhr wurden wir im gefrorenen Zustande herausgeholt, ,Ihr Lumpen, seid Ihr jetzt zur Besinnung gekommen, könnt ihr jetzt Heil Hitler sagen?’“ (4)


Wir bringen Sie dahin, wo Sie hingehören!
Karl K., ein Oberensinger im AEL Oberndorf

In der selben Spruchkammerakte wie oben ist die Aussage des Oberensingers Karl K. (1905 – 1963 (5)) überliefert, der in Schutzhaft genommen wurde und nach Oberndorf kam, weil er aufgrund der Heuernte im Jahr 1942 seiner Arbeit fernblieb. Zu dieser Zeit sagte Karl K., der bei der Firma I.G. Löffler in Nürtingen arbeitete, zu seinem Kapo, dass er am Mittag zum Heuen zu Hause bleibe. Als es am Mittag regnete, blieb er auch am nächsten Morgen zum Verstreuen zu Hause. Auf dem Weg zum Mittagessen wurde er von Polizeiwachtmeister Kuder verhaftet und für zehn Tage ins Nürtinger Gefängnis eingeliefert. Dort erfuhr Karl K., dass die Firma Löffler Anzeige erstattet und die Polizei angerufen habe. Zur Vernehmung wurde er Oberregierungsinspektor Otto Hoffmann vorgeführt, der ihn mit folgenden Worten anschrie: „Ihnen werden wir schon helfen, wir bringen Sie dahin, wohin Sie gehören!“

Weitere acht Tage verbrachte Karl K. in Stuttgart in der sogenannten „Büchsenschmiere“, dem Gefängnis in der Büchsenstraße. Im „Hotel Silber“, der Gestapo-Zentrale, wurde ihm mitgeteilt, dass er in ein Lager nach Oberndorf komme. Er berichtete 1947: „In Oberndorf-Aistaig wurde ich von einem Pforzheimer SS-Mann mit einem Prügel ins Gesicht geschlagen. Fischer, Villingen, war der gemeinste Kerl im Lager. Er schlug alle Tage und mit Vorliebe die alten Leute, die meist über 60 Jahre alt waren. ... Wir trugen das blaugestreifte Zebra der KZ-Lager. Im Lager stand ein Masten, an welchem die Häftlinge in Zwangsjacken festgebunden waren. Die vorübergehenden Wachleute misshandelten die Häftlinge, dass sie bluteten. ... Nach meiner Entlassung musste ich wieder bei der Firma Löffler weiterarbeiten. Es wurde keine Silbe über meine Verbringung nach Aistaig von Seiten der Firma erwähnt. Insgesamt war ich nun acht Wochen verhaftet ... .“ (6)


Das "AEL" Rudersberg

In der ersten Hälfte des Zweiten Weltkriegs war für Frauen das Risiko eher gering, bei „Arbeitsbummelei“ eine Freiheitsstrafe zu bekommen oder von der Gestapo in Schutzhaft genommen zu werden. Prinzipiell war aber die Bestrafung bei Arbeitsverweigerung für arbeitende Männer und Frauen gleich. Die Industrie zögerte auch nicht, ihre weiblichen Beschäftigten mit Abmahnungen, Geldbußen, Streichungen von Zuschlägen und Urlaubstagen abzustrafen. (2/251) „Erwerbstätige christliche und jüdische Frauen aus sogenannten Mischehen waren besonders gefährdet, bei geringsten Arbeitsdisziplinvergehen ins AEL eingewiesen zu werden.“ Besonders für Zeuginnen Jehovas, die aus religiösen Gründen regelmäßig Arbeitstage versäumten, war das AEL oft nur eine Durchgangsstation auf dem Weg ins KZ. Zudem befanden sich unter den weiblichen Häftlingen viele Prostituierte, die im Krieg von der Gestapo als „Gewerbeunzuchttreibende“ verfolgt wurden. (2/254f) Auch Ehefrauen von Männern, die wegen Heimaturlaub ihrer Männer nicht zur Arbeit erschienen, wurden im letzten Kriegsjahr in ein AEL eingewiesen.  (2/259f)

Am 1. Juli 1942 wurde als eines der ersten selbstständigen Frauen-AEL das „Arbeitserziehungslager für weibliche Erziehungshäftlinge“ in Rudersberg (2.300 Einwohner)/ Kreis Waiblingen errichtet. Der Ort lag günstig: an der Nebenbahn von Schorndorf und in Nachbarschaft zum Polizeigefängnis Welzheim. Zudem benötigte die dortige Holzfabrik weitere Arbeitskräfte für die Fertigung von Munitionskisten. Die Holzfirma hatte das ehemalige Ausflugslokal im März 1942 erworben (1/154) und als Sammellager für den süddeutschen Raum umbauen lassen. (2/254) Neben Speisesaal, Küche, Waschküche und Näherei gab es dort zwei Schlafsäle, in denen je einhundert Frauen, nach Deutschen und Nichtdeutschen getrennt, untergebracht waren. Auch Strafarrestzellen waren vorhanden, sowie der sogenannte Bunker, ein „fensterloser, völlig dunkler Raum mit zwei“ kleinen Einzelzellen. Die hygienischen Zustände sollen teilweise „ekelerregend“ gewesen sein.   (1/154ff)

Dieses AEL diente auch als „erweitertes Polizeigefängnis“ für politische Häftlinge, „die gesamte Bandbreite staatspolitisch verfolgter Frauen war vertreten.“ (1/155) Die genaue Zahl der inhaftierten Frauen ist nicht mehr feststellbar. Zwei- bis siebenhundert Frauen wurden dort vermutlich eingeliefert. (2/254) Die Frauen stammten aus fast allen europäischen Ländern. Rund die Hälfte der Insassinnen sollen aus Osteuropa gewesen sein, ein Viertel deutsche Frauen und der Rest aus Westeuropa. (2/264) Siebzig bis einhundert Frauen waren im Holzwerk tätig, andere fuhren mit dem Zug nach Welzheim oder Schorndorf. Cirka dreißig Häftlinge halfen tagsüber den Bauern in Rudersberg. Die politischen Häftlinge wurden im Innendienst eingesetzt. (1/156)

Die Wärterinnen waren für ihre „erzieherischen Aufgaben“ ungeeignet. Die weiblichen Häftlinge mussten sich Ausdrücke wie „Ihr Huren, Ihr Drecksäue“ gefallen lassen. (1/156f) Wurden Lager-Diebstähle entdeckt, sollten sich „alle Frauen nackt im Hof aufstellen, bis die Schuldige gefunden war. Andere Erniedrigungen bestanden darin, die Stuben mit der Zahnbürste zu fegen oder allein die Jauchegruben zu leeren. Nach Fluchtversuchen wurde den wiederergriffenen Frauen ein Streifen Kopfhaar mit der Haarschneidemaschine von der Stirn bis zum Nacken wegrasiert, im Wiederholungsfall ein zweiter Streifen von einem Ohr zum anderen.“ (2/264)

Als bei Kriegsende die Front näher kam, lautete der Befehl, alle Akten, die sich im Lager befanden, zu vernichten. Ende März 1945 waren schon die Arbeitserziehungs- und andere unpolitische Häftlinge entlassen worden, so dass nur noch 95 Häftlinge im Lager waren. Auf dem Weg nach Riedlingen, wohin das AEL Rudersberg am 19. April 1945 evakuiert werden sollte, entließ Lagerleiter Klein die mitgeschleppten Häftlinge in Baltmannsweiler bei Plochingen. (1/156f)

Gedenkstätte auf dem Friedhof in Rudersberg, Fotos A. Schaude, November 2016
Gedenkstätte auf dem Friedhof in Rudersberg, Fotos A. Schaude, November 2016

"AEL" Neckarhausen

Im Jahr 1944 existierte in der zweiten Jahreshälfte in Neckarhausen ein AEL, das von der Reichsbahn betrieben wurde. „Die Maschinenfabrik Heller hatte ihr firmeneigenes AEL in Neckartenzlingen im Juni 1944 zugunsten der nähergelegenen Einrichtung stillgelegt.“ Eingesperrt waren hier „vor allem ausländische Zwangsarbeiter, die sich vermeintlicher Verstöße gegen die Arbeitsdisziplin und/ oder der Sabotage und ähnlichem schuldig gemacht hatten.“ (7/ 176)

Im Jahr 1947 sagte Kriminalsekretär Christian Widmann vor der Spruchkammer gegen den im Krieg bei der Firma Heller tätigen Ingenieur Dr. Paul Haussmann aus: „Dass in Neckarhausen eine Art AEL war, erfuhr ich nur durch Zufall von der Firma Heller. Es wurde gesagt, dort seien besonders widersetzliche Leute, die für besondere Arbeit vorgesehen seien. Die Leute hatten gelegentlich unter sich Händel. Dass Schlägereien seitens Werner Heller und Lutz (Anm. A.S: Obermeister der Firma Heller) vorkamen, wusste ich nicht.“ (8)


Quellen:


  • StANT 13/25: Hrsg. Bauz, Brüggemann, Maier, Die Geheime Staatspolizei in Württemberg und Hohenzollern, Schmetterling Verlag, 2013
  • Gabriele Lotfi, KZ der Gestapo, Arbeitserziehungslager im Dritten Reich, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt, 2003, ISBN 3-596-15134-1
  • StANT: Info Juli 2015
  • StALB: EL 903/4 Bü 102, Blatt 409, 08. 01. 1947
  • StANT: Info Dezember 2014
  • StALB: EL 903/4 Bü 102, Blatt 486, 07. 05. 1947
  • StANT 05/7: Hrgb. Studienkreis Deutscher Widerstand, Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 – 1945, Band 5, Baden-Württemberg I, Regierungsbezirke Karlsruhe und Stuttgart.StALB: EL 902/17 Bü 3795, Blatt 140, 15. 09. 1947




September 2015, Anne Schaude