"Ungeheilt entlassen" - Elsa S.

von Anne Schaude, Nürtingen

Erinnerung an die Nürtinger "Euthanasie"-Opfer, gestaltet von Schülerinnen des Max-Planck-Gymnasiums Nürtingen, Foto: Manuel Werner
Erinnerung an die Nürtinger "Euthanasie"-Opfer, gestaltet von Schülerinnen des Max-Planck-Gymnasiums Nürtingen, Foto: Manuel Werner

Im Sommer 1890 

wurde Elsa Emma Bertha als erstes Kind ihrer Eltern Albert und Anna Karoline S. in Sindringen (jetzt Ortsteil der Gemeinde Forchtenberg) geboren und evangelisch getauft. Sie hatte acht jüngere Geschwister. Im August 1904 zog die Familie nach Neckarhausen, da der Vater, ein Oberlehrer, nach hier versetzt worden war. 

 

Im Jahr 1913 

starb ihr Vater. Nach seinem Tod zog die Mutter nach Nürtingen

 

Im Juli 1939 

kam die Haustochter und Kinderpflegerin von Nürtingen, nach einem Zwischenaufenthalt im Krankenasyl Bethanien in Winterbach, in die private Heilanstalt Christophsbad nach Göppingen. Elsa S. war zu dieser Zeit 49 Jahre alt und litt seit 15 Jahren an einer Geisteskrankheit. 

Auschnitt der steinernen Schwelle der Gedenkstätte Grafeneck, Foto: Anne Schaude
Auschnitt der steinernen Schwelle der Gedenkstätte Grafeneck, Foto: Anne Schaude

Am 17. April 1940 

wurde sie „ungeheilt“ in die staatliche Heil- und Pflegeanstalt Weinsberg verlegt. 

 

Über diesen ersten Abtransport aus dem Christophsbad gibt der Erlass des Innenministeriums detailliert Auskunft: „Die vorgesehene Verlegung von 40 weiblichen Staatspfleglingen von Göppingen nach Weinsberg kann nunmehr ... erfolgen. ... Sofern die eine oder andere dieser Pfleglinge aus schwerwiegenden Gründen nicht verlegt werden könnte, tritt an ihre Stelle eine der am Ende der Liste als Zusatz aufgeführten Pfleglinge in dieser Reihenfolge. ... Von der Heilanstalt Christophsbad sind die Krankheitsgeschichten und Personalpapiere der Pfleglinge der Heilanstalt Weinsberg zu übergeben ... Die Angehörigen und die Kostenträger sind durch die Anstalt Weinsberg von der Verlegung zu verständigen.“ 

 

Am 10. Dezember 1940 

wurde Elsa S. in Weinsberg „ungeheilt entlassen“. Wohin sie entlassen wurde, ist auf ihrem Patientenblatt nicht dokumentiert. Auf der Transportliste, die noch erhalten ist, ist ihr Name zu finden, ein Zielort wurde aber auch hier nicht vermerkt. 

 

Der 17. 12. 1940

ist als ihr „offizieller“ Todestag in Grafeneck beurkundet.

 

Elsa S. wurde 50 Jahre alt.

Ermordet in Grafeneck, Detail eines Stolpersteins, Foto: User:Enslin, Lizenz:  Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported
Detail eines Stolpersteins, Foto: User:Enslin, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported

"Das Gedenken braucht einen Ort."

 

Am Eingang zur Gedenkstätte Grafeneck nennt eine in die Erde eingelassene steinerne Schwelle die Namen der vierzig süddeutschen Orte, aus denen die Menschen zur Tötung hierher gebracht wurden.

 

In der Regel sind auf diese Weise die "Anstalten" genannt, aus denen die Ermordeten herbeigeschafft wurden.

Lt. Statistik wurden im Dezember 1940 in Grafeneck 548 Menschen vergast, im gesamten Jahr waren es etwa 10.000 Menschen, die dort getötet wurden. (Quelle: Dokumente zur Euthanasie, Hrgb. Klee, Ernst, ISBN 978-3-596-24327-3, S. 232f.)

 Quellen:

 

  • Familienregister Blatt 270, Nr. 19
  • R. Tietzen (Hrsg.), Nürtingen 1918 bis 1950, Nürtingen/ Frickenhausen, Sindlinger-Burchartz, 2011, S. 287
  • StALB: F 235 III, Bü 838, Patientenblatt
  • StALB: F 234 I Bü 1121, Transportliste vom 10. 12. 1940
  • StANT, Auskunft Herr Tietzen, August/ Oktober 2013
  • www.tenhumbergreinhard.de, Transport 17. 04. 1940 Christophsbad
 

Text: Anne Schaude, Stand: Oktober 2013, alle Rechte vorbehalten!

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